Die Reise mit Charley by Steinbeck John

Die Reise mit Charley by Steinbeck John

Autor:Steinbeck, John [Steinbeck, John]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Die Nacht war mit verschiedenen Vorzeichen beladen. Der grämliche Himmel verwandelte die kleine Wasserfläche in gefährliches Metall, und dann kam Wind auf – nicht der böige, jagende Wind der Meeresküste, den ich kenne, sondern ein gewaltiges, brausendes Dahinfegen, und im Umkreis von tausend Meilen war nichts, was ihn aufhalten konnte. Da mir dieser Wind fremd und deshalb unheimlich war, weckte er in mir unheimliche Gefühle. Nüchtern betrachtet, war er nur deshalb beunruhigend, weil ich ihn beunruhigend fand. Aber mit einem großen Teil unserer Erlebnisse, die wir unerklärlich finden, muß es ebenso sein. Ich weiß gewiß, daß viele Menschen solche Erfahrungen verheimlichen, aus Furcht, sie könnten sich lächerlich machen. Wie viele haben schon etwas gesehen, gehört oder empfunden, das ihren Sinn für das Ordnungsgemäße derart durcheinanderbrachte, daß sie das Ganze rasch wegschoben wie Schmutz unter den Teppich?

Was mich betrifft, so versuche ich, mich für solche Dinge, die ich nicht verstehen oder erklären kann, empfänglich zu halten, aber das ist in unserer geängstigten Zeit manchmal schwer. In diesem Augenblick in North Dakota zögerte ich weiterzufahren, aus einem Gefühl heraus, das letzten Endes Furcht war. Charley dagegen wollte weiter – ja, er machte solch einen Wirbel, daß ich ihm Vernunft zureden mußte.

»Hör zu, Hund! Ich habe das starke Bedürfnis, hierzubleiben, und zwar auf höheren Befehl. Wenn ich darüber hinwegkommen und weiterfahren sollte und wir im Schnee steckenbleiben, würde ich sagen, ich hätte eine Warnung in den Wind geschlagen. Wenn wir hier bleiben und eingeschneit werden, wäre ich überzeugt, ich hätte eine prophetische Ader.«

Charley nieste und ging unruhig hin und her. »Also gut, mon cur, betrachten wir’s von deiner Seite. Du willst weiterfahren. Angenommen, wir tun es, und in der Nacht stürzt ein Baum genau auf die Stelle, wo wir jetzt stehen. Dann würden die Blicke der Götter auf dir ruhen. Diese Möglichkeit besteht immer. Ich könnte dir viele Geschichten über treue Tiere erzählen, die ihren Herren das Leben gerettet haben, aber ich glaube, du langweilst dich nur, und ich werde dir nicht den Gefallen tun.« Charley warf mir seinen zynischsten Blick zu. Ich glaube, er ist weder Romantiker noch Mystiker. »Ich weiß, was du sagen willst. Wenn wir fahren und hier stürzt kein Baum um, oder wenn wir bleiben und werden nicht eingeschneit – was dann? Ich will dir sagen, was dann. Dann vergessen wir das Ganze, und das Gebiet der Prophetie erleidet keine Einbuße. Ich stimme dafür, daß wir bleiben. Du stimmst dafür, daß wir fahren. Da ich dem Gipfel der Schöpfung näher stehe als du und außerdem der Chef bin, gilt das, was ich sage.«

Wir blieben, und es schneite nicht, und kein Baum stürzte um. Deshalb vergaßen wir das Ganze und sind empfänglich für weitere mystische Erlebnisse, wenn sie sich einstellen sollten. Am nächsten Morgen waren die Wolken abgezogen und mein Geist teleskopisch klar. Ich ging mit Charley über dicken, knirschenden Reif. Wir brachen bald auf. Der Künstlerwagen war dunkel, aber der Hund bellte, als wir zur Straße rumpelten.

Jemand mußte mir schon über den Missouri bei Bismarck, North Dakota, erzählt haben, oder ich mußte darüber gelesen haben.



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